Gendern mit Doppelpunkt und Sternchen

Man fragt sich manchmal, was genau schiefgelaufen ist, wenn man Formulierungen wie „Kolleg:innen“ oder „Mitarbeiter*innen“ liest. Wollen wir wirklich unsere Sprache mit Sonderzeichen spicken, um uns dabei modern und moralisch überlegen zu fühlen? Dabei wäre es so einfach, klar und höflich zu sprechen – ganz ohne Sprachverrenkungen.

„Liebe Kolleginnen und Kollegen“ ist ein freundlicher, völlig unproblematischer Satz. Wer sich bemüht, korrekt und wertschätzend zu sprechen, kann das längst tun. Niemand hat etwas gegen diese Form. Genauso wenig spricht etwas gegen das generische Maskulinum: „Alle Kollegen treffen sich bitte im Besprechungsraum.“ Wer hier meint, es seien ausschließlich Männer gemeint, will missverstehen – oder hat die Struktur der deutschen Sprache nicht begriffen.

Im Plural hat das generische Maskulinum schon immer beide Geschlechter umfasst. „Meine Kollegen“ meint logisch – und historisch gewachsen – die gesamte Belegschaft, unabhängig vom Geschlecht. Niemand mit klarem Verstand stellt sich bei „meine Kollegen“ eine reine Herrenrunde vor. Wenn es wichtig ist, wird konkretisiert: „Meine Chefin“, „mein Teamleiter“. Der Kontext regelt das elegant – ganz ohne akrobatische Zeichenkunst.

Was also soll der Doppelpunkt? Warum schreiben Menschen lieber „Kolleg:innen“ als „Kolleginnen und Kollegen“? Ist das Faulheit? Ein Versuch, Zeit zu sparen? Oder schlicht ein Akt symbolischer Selbstvergewisserung, dass man auf der richtigen Seite steht? Fakt ist: Diese Form sieht nicht nur unschön aus – sie zerstört den Sprachfluss, lässt sich kaum natürlich aussprechen und trägt inhaltlich nichts bei. Gendern ist vor allem eines: schlechter Stil.

Gute Sprache lebt von Rhythmus, Lesbarkeit und Ausdruckskraft. Genderzeichen stören diese Qualitäten massiv. Sie reißen Texte auseinander, wirken mechanisch und künstlich. Und während sich akademisch gebildete Kreise daran gewöhnen mögen, bleibt die Frage offen, wie Menschen mit Sprach-, Lese- oder Rechtschreibschwierigkeiten mit diesem Konstrukt klarkommen sollen. Für sie wird die Schwelle zur Teilhabe an Sprache und Bildung höher – nicht niedriger.

Die vielzitierte sprachliche Inklusion wird oft als moralische Notwendigkeit dargestellt – doch man sollte ehrlich bleiben: Es geht dabei vor allem um Rücksichtnahme auf ein sehr kleines Segment der Bevölkerung, das sich emotional durch traditionelle Sprachformen ausgeschlossen fühlt. Das ist kein Verbrechen, aber auch kein Anlass, die ganze Sprache zu verbiegen.

Laut Zensus 2022 haben sich bundesweit gerade einmal 962 Menschen den Geschlechtseintrag „divers“ eintragen lassen – obwohl dies seit 2018 rechtlich möglich ist. Das entspricht etwa 0,002 Prozent der Bevölkerung. Offenbar leben die allermeisten intersexuellen Menschen ganz selbstverständlich mit einem männlichen oder weiblichen Eintrag – und fühlen sich nicht von jeder maskulinen Pluralform ausgeschlossen. Daraus entsteht eine Frage, die man stellen darf: Rechtfertigt ein solcher Einzelfallanteil wirklich einen sprachlichen Eiertanz, der Millionen Menschen das Lesen, Schreiben und Verstehen erschwert?

Es geht nicht darum, irgendjemanden zu beleidigen oder auszugrenzen. Es geht darum, mit Sprache vernünftig umzugehen – ohne sie unter ideologische Daueranspannung zu setzen. Wer sich ausgeschlossen fühlt, weil er keine sprachliche Sonderbehandlung bekommt, ist nicht Opfer struktureller Diskriminierung, sondern vielleicht einfach etwas empfindlich.

Sprache darf sich verändern. Aber Veränderung braucht Sinn, nicht nur Haltung. Wer wirklich inklusiv kommunizieren will, sollte vor allem eins tun: verständlich schreiben.

Und zum Schluss ganz praktisch:
Meine Kunden entscheiden selbst, ob sie auf ihrer Website gendern möchten oder nicht. Texte mit Sternchen oder Doppelpunkt werden von mir selbstverständlich genauso eingebaut, wie sie geliefert werden. Ich bestimme nicht, wie andere schreiben – aber ich bestimme, wie ich schreibe. Und was ich lesen möchte.

Foto von Thomas Heger

Thomas Heger
Webdesigner für KMU und Selbstständige

Seit über 15 Jahren gestalte ich Websites, die funktionieren – klar, durchdacht und mit dem Fokus auf das Wesentliche. Ich mag sauberes Design, pragmatische Lösungen und gute Gespräche auf Augenhöhe. Ich glaube an klare Strukturen, ehrliches Feedback und daran, dass man im Netz nicht schreien muss, um sichtbar zu sein. Louise (meine Hündin & Feel-Good-Managerin) sieht das übrigens genauso.

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